Freitag, 4. September 2009

Wer ist Werner Herzog?

Lucky Lieutenant - Werner Herzog zieht mit gleich drei Filmen gegen den Rest der Welt und Abel Ferrara wünscht ihn zur Hölle - Venedig Blog, 1. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Das hatte es auch in der Erinnerung sehr erfahrener Besucher der Filmfestspiele von Venedig noch nicht gegeben: Dass ein Regisseur mit gleich zwei Spielfilmen im Wettbewerb um den Goldenen Löwen vertreten ist, und dann noch am gleichen Tag: Doch Werner Herzog hatte schon immer einen Hang zum Skurrilen, und so passte es ganz gut, dass der deutsche Regisseur an diesem Freitag das sonderbare Kunststück schaffte.

Dabei hätte der eine Film eigentlich schon genügt, um Herzog, seit seinen Filmen "Aguirre" und "Fitzcarraldo" der international am stärksten verehrte, lebende deutsche Filmemacher - ja, eindeutig vor Wim Wenders -, fast zehn Jahre nach seinem letzten Spielfilm wieder zurück auf die große Kinobühne zu katapultieren: "The Bad Lieutenant" heißt sein neuer Film - ja, genau, wer jetzt stockt, weil ihm das sonderbar vertraut vorkommt, liegt ganz richtig: Ein Remake des schnell berühmten, aber immer umstrittenen Films des Italoamerikaners Abel Ferrara aus dem Jahr 1992, ein katholisches Drama in ebenso opulenten, wie manierierten Bildern, in dem Harvey Keitel einen korrupten, drogensüchtigen New Yorker Ermittler spielt.

"Nein, auf keinen Fall ein Remake" behauptet Herzog, und stellte sich vor der versammelten Weltpresse in Venedig konsequent dümmer als er ist: "Wer ist denn dieser Abel Ferrara? Ist er ein italienischer Regisseur? Franzose? Ich habe keinen einzigen Film von Ferrara gesehen." Vorausgegangen war der gestrigen Premiere schon in den letzten Wochen ein heftiger und ziemlich bösartiger Schlagabtausch zwischen beiden Regisseuren via Medien: "Ich wünsche diesen Leuten, dass sie in der Hölle sterben" sagte Ferrara, offenkundig wenig amüsiert, "Ich hoffe, sie sitzen alle im gleichen Auto und fliegen in die Luft."

Wer nun Herzogs Film gesehen hat, nimmt ihm die naive Pose keine Sekunde ab - Herzogs Film ist natürlich ein Remake, wenn auch in Atmosphäre und Haltung, auch im Stil völlig anders. So ähnlich sich die Figur ist - bei Herzog gespielt von Nicholas Cage -, und einzelne Szenen, so unterschiedlich ist die Story: Aus Ferraras Reise in den Abgrund macht Herzog eine Erlösungsgeschichte: Sein Lieutenant läutert sich, und kommt mit des Zufalls (oder Gottes?) Hilfe heil von seiner Höllenfahrt zurück - als besserer Mensch. Der Alptraumtrip endet mit einem Happy End, und was anfangs viel europäisches Flair geatmet hatte, endet als ein konventioneller amerikanischer Film – wer hätte ausgerechnet dies von Werner Herzog erwartet? Das ist sympathisch und schön anzusehen. Zugleich bleibt bis nach dem Abspann etwas unklar, warum Herzog eigentlich gerade diese Geschichte erzählt hat.

Zwischendurch entfaltet "The Bad Lieutenant" einige Intensität. Ein post-Katrina-Film, angesiedelt in New Orleans. Es gibt sehr schöne Bilder und Momente: Eine Schlange, die durchs Wasser schlängelt, Leguane in den Wohnungen, ein Zusammenstoß zwischen einem Autor und einem Alligator - das sind Bilder, die im Kopf bleiben. Oder Cage, nach einer Verhaftung: "I love it. I just love it."Überhaupt spielt Cage im Vergleich zu manch anderem Auftritt für seine Verhältnisse zurückhaltend. Aber anfangs dauert es lange, zu lange, bis alles in Fahrt kommt, und gegen Ende zerbricht der Film dann ziemlich in seine Einzelteile.

Nach diesem mit einer so ausgewogenen wie zurückhaltenden Mischung aus leisem Beifall und leisem Buh bedachten Film gab es am späten Abend noch den ersten von zwei "Überraschungsfilmen": "My Son, My Son, what have ye done". Laut deutschem Verleih (Kinowelt) handelt es sich dabei um einen "Thriller über einen mysteriösen Mord und seine Hintergründe". Hauptrollen spielen Michael Shannon (oscarnominiert für seine Nebenrolle in "Revolutionary Road") Willem Dafoe, Chloë Sevigny und Grace Zabriskie. Und David Lynch fungiert als ausführender Produzent. Was von alldem zu halten ist, und wie es sich ansieht, darüber morgen mehr.

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