Freitag, 25. September 2009

Fleischgewordenes Kinozitat

Eine Begegnung mit Chiara Mastroianni - San Sebastián-Blog, 8. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Wenn man ihr gegenübersitzt, fällt es schwer, den Blick von ihrem Gesicht abzuwenden. Das liegt nicht allein daran, dass Chiara Mastroianni eine gut aussehende 37-jährige ist. Es liegt auch daran, dass man darin immer mehr sieht, als nur sie: Als Tochter von Catherine Deneuve und Marcello Mastroianni ist die französische Schauspielerin gleich das Kind zweier Ikonen des Kinos. Und weil sie ihren beiden Eltern wie aus dem Gesicht geschnitten ist, glaubt man im Gespräch mit ihr immer wieder auch für Sekunden, eine dunkelhaarige Deneuve oder eine weibliche Variante des Mastroianni aus der Zeit von Fellinis "La dolce vita" vor sich zu haben. "Natürlich kann das eine Bürde sein" sagt Mastroianni, die ganz offen über ihre Herkunft spricht, und gar nicht genervt wirkt, wenn man sie, irgendwann nach allen möglichen anderen Themen, auch mal schüchtern auf ihre Eltern anspricht - nur zu verständlich wäre es ja, wenn sie nach rund 40 Filmrollen solche Fragen nicht mehr hören kann. Aber in Frankreich ist das dynastische Prinzip auch unter Schauspielerfamilien viel weiter verbreitet, und Mastroianni ist selbstbewußt genug, um nicht daran zu zweifeln, dass sich ihr Gegenüber für sie nicht nur als Tochter ihrer Eltern interessiert. "Gerade weil ich den Beruf meiner Eltern ergriffen habe, werde ich ja nicht nur äußerlich mit ihnen verglichen." Gerade in den letzten Jahren hat Mastroianni, nachdem sie als Mutter von zwei Kindern einige Zeit kürzer trat, wieder viel gearbeitet, und in einigen der wichtigsten französischen Filme der letzten Zeit mitgewirkt: Zusammen mit ihrer Mutter sprach sie die Hauptrolle in der Synchronfassung von Marjane Satrapis Animationswelterfolg "Persepolis", und mit der Deneuve spielte sie 2008 auch - nicht deren Tochter - in Arnaud Desplechins großartiger Familiengeschichte "Un Conte de Noel", der in Frankreich wie in den USA sehr erfolgreich lief, in Deutschland aber typischerweise mal wieder nicht ins Kino kam. Dort hat sie atemberaubende Momente. An den Film erinnert jetzt in manchem "Non ma fille, tu n'iras pas dancer" ("Making Plans for Lena") von Christophe Honoré, mit dem Mastroianni im Wettbewerb des Festivals im baskischen San Sebastián vertreten ist.

Auch dies eine Familiengeschichte, die beginnt, wie viele Filme aus Frankreich: Im Landhaus der Eltern treffen sich drei Geschwister, ihre Partner und Kinder. Es wird gegessen, in der Sonne gesessen, viel geredet über die Liebe und das Leben. Lena, von Mastroianni in einer wunderbar paradoxen Mischung aus Hysterie und Passivität (aus Deneuve und Mastroianni?) gespielt, die mittlere der Geschwister, ist frisch geschieden, und bekommt nun von Eltern, großer Schwester und kleinem Bruder viele gute und gutgemeinte, aber in der Praxis absolut untaugliche Ratschläge. Dann wird von der Mutler auch noch der frisch getrennte Gatte eingeladen - und so ist dies im Ergebnis eine intelligente Komödie über eine Familie, deren Geheimnisse und Störungen zunehmend ans Tageslicht treten, in der sich trotzdem alle irgendwie lieb haben. Gefilmt ist das Ganze in dem schon jetzt unvergeichlichen Stil dieses Interessantesten unter den jüngeren Franzosen - einem Stil, der manchen hier extrem auf die Nerven geht, weil er in seinen irritierenden Tonwechseln ziemlich kompliziert und elitär ist, zwar sehr souverän mit Versatzstücken und kleinen Elementen, auch Zitaten arbeitet, sich aber im Gegensatz zu Desplechin nie dafür interessiert aus ihrer Kombination einen Sog zu entwickeln.

Dies ist schon der dritte Film, den Mastroianni mit Honoré gedreht hat, nach einem Miniauftritt in "La Belle Personne", einer modernen Fassung der "Princess de Cleve", in der sie wohl vor allem deshalb auftaucht, weil sie bei Olivera mal diese Rolle gespielt hat, und dem Musicalfilm "Les Chancons de L'amour" der auch bei uns erfolgreich lief, und in San Sebastián in der Retrospektive "La ContraOla" gezeigt wird, die dem neuen französischen Kino gewidmet ist. Honoré gibt übrigens auf Nachfrage offen zu, dass er Mastroianni nicht nur als Darstellerin, sondern auch als fleischgewordenes Kinozitat verpflichtet hat - "Ich wäre dumm, wenn ich so täte, als könnte man das ignorieren." Mastroianni stört das nicht, sie findet ganz gelasssen: "Ich arbeite gern mit den gleichen Leuten."

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