Dienstag, 22. September 2009

Surfen am Biskaya-Strand

Wellenreiter und Wellenbrecher - das Festival von San Sebastián zeigt große Namen und Franzosen; San Sebastián-Blog, 1. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Das Festival von San Sebastián ist das schönste unter den europäischen "A-Festivals" - weil es das entspannteste unter ihnen ist, und trotzdem ein in jeder Hinsicht hochkarätiges Programm bietet. In manchen Jahren kann man hier mühelos mit dem Programm von Venedig mithalten. 2009, der 57. Ausgabe, dürfte das nicht ganz gelingen, zu stark war dieses Jahr der Wettbewerb am Lido. Aber immerhin laufen im Programm von San Sebastián die neuen Filme von Atom Egoyan, Woody Allen (außer Konkurrenz), Francois Ozon, Christophe Honoré, Bruno Dumont - um nur die bekanntesten Namen aufzuzählen. Auch sonst dreht sich diesmal auffallend viel um Frankreich: Mehrere Filme in den Nebenprogrammen, und die thematische Retrospektive, die unter dem Titel "La ContraOla", also die "Gegenwelle" eine Auswahl von 40 französischen Filmen des letzten Jahrzehnts zusammenfasst. Diese Auswahl ist so disparat, wie extrem hochwertig, und reicht von dezidierten Auteurs wie Claire Denis, Bruno Dumont und Arnaud Desplechin über eigenwillige und grenzgängerische Regisseure wie Gaspard Noé und Leos Carax bis hin zu anspruchsvollen Genreversuchen in den Filmen von Julien Maury oder Robin Campillo. Insgesamt repräsentieren diese Filme übrigens keineswegs den Bruch mit der Nouvelle Vague, sondern ihre Fortsetzung mit anderen Mitteln - oder, wenn man so will: Die Frage, wie sich die Haltung dieses unvergleichlichen Aufbruchs in unseren Tagen fortsetzen ließe, was es bedeuten könnte, sie überhaupt fortzusetzen. Die einzige, die hier aus unerfindlichen Gründen fehlt, ist Agnes Jaoui. Ansonsten aber ist dies eine ungemein interessante Reihe - mit der allein man dieses Festival, surfend zwischen Entdeckungsvergnügen und Wiedersehensfreude, gut zubringen könnte.

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