Samstag, 12. September 2009

Goldener Löwe für Claire Denis!

Meine persönlichen Preise in Venedig und allerlei Spekulationen - Venedig Blog, 15. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Wenn ich Bundestrainer wäre... würde Hildebrand im Tor stehen. Und wenn ich die Jury in Venedig wäre, wäre klar, wer heute Abend den Goldenen Löwen gewinnt: Claire Denis und "White Material" natürlich. Vor Brillante Mendoza mit "Lola".
Beides hervorragend, intelligente wie sinnliche Filme. "Lola" ist versteckter klug, subtiler intellektuell. Der Film kommt ganz sachte und beiläufig, wie ein naturalistischer Dickens daher. "White Material" ist komplex und kompliziert, mäandernd und verwoben, wie so oft bei Claire Denis. Darum liebt man sie. Ein Puzzle, dessen Bedeutung, dessen Gesamtbild sich erst mit der Zeit entfalten. Denis' Film ist ganz offen genial, offen intellektuell - was natürlich anti-intellektuelle Reflexe auslöst. Kaum zu glauben, dass dieser Film eine Mehrheit der Jury gewinnen könnte.

Hier meine persönlichen Preise:

Golden Lion for best film
Claire Denis für "White Material"

Silver Lion for best director
Brilante Mendoza für "Lola"

Special Jury Prize
Jessica Hausner für "Lourdes"

Coppa Volpi for Best Actor
Sergio Castellito

Coppa Volpi for Best Actress
Das vierköpfige Hauptdarstellerinnen-Ensemble von "Women Without Men".

"Osella" for Best Technical Contribution
Martin Gschlacht für die Kamera in "Lourdes" und "Women Without Men"

"Osella" for Best Screenplay
Todd Solondz für "Life After Wartime"


Aber wer gewinnt wirklich?

"Wir hoffen auf das Beste und bereiten uns auf das Schlechtete vor." sagt Philipp vom Weltvertrieb "Match Factory", die mit "Soul Kitchen" und "Lola" im Wettbewerb vertreten sind.

Keine Frage, dass "Lourdes" und "Libanon" unter den Kritikern hoch gehandelt werden. Im italienischen Kritikerspiegel führt überraschenderweise "Life After Wartime". Aber wer da vorn liegt, gewinnt am Ende nie. Hinter Solondz dann Moore, Akin und "Lebanon." Abwarten.

Eigentlich gewinnt auf Festivals nicht wirklich große Kinokunst. Preise wie der für "Elephant" 2003 in Cannes sind die absolute Ausnahme. Eigentlich gewinnt immer ein Film, der eine klare Geschichte hat, und dessen Geschichte sich in zwei Sätzen erzählen läßt. Ein Film, der grundsätzlich human ist, bis zur political correctness, vielleicht auch etwas sentimental, nicht zu schrecklich und boshaft und provozierend. Ein Film, der politisch brisant oder besser noch "bedeutend" ist.

Das deutet auf "Lebanon" von Samuel Maoz hin, es sei denn, der ist der Jury doch zu schmutzig und hart. Vielleicht noch Brillante Mendozas "Lola", es sei denn, der ist der Jury dann doch zu wenig plakativ politisch.
Das spricht gegen Todd Solondz für "Life After Wartime" und "Lourdes" von Jessica Hausner. Aber "Lourdes" hat bereits zwei Preise gewonnen: Den Preis der Internationalen Filmkritik "fipresci" und den Preis der "Signis"-Jury, der Kirchen. Letzterer war bei dem Thema wohl unvermeidlich.

Ein Preis für Shirin Neshats "Women Without Men" würde mich eigentlich überraschen. Es gibt viel Respekt für den Film, aber keine Liebe. Und der Rest, auch Akin, auch Herzog: Ferner liefen...

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