Donnerstag, 24. September 2009

Auf Messers Schneide


Fotos: Brooks; Grant in "Crisis"

Cary Grant als Hirnchirurg und die Richard-Brooks-Retrospektive; San Sebastián-Blog, 4.Folge

Von Rüdiger Suchsland

Nein, berühmt ist Richard Brooks nicht wirklich, aber er war einer der Besseren unter den Hollywood-Routiniers, einer der gut war, ohne dass er je eine eigene erkennbare Handschrift entwickelt hätte, einer dessen Filme man kennt, ohne ihn selbst zu kennen: "Die Katze auf dem heißen Blechdach", die Capote-Verfilmung "In Cold Blood", die "Brüder Karamasow" mit Yul Brunner und "Lord Jim" mit Spencer Tracy - man sieht: ein Experte für Literatur-Verfilmungen, mehrfacher Oscargewinner und Berühmtheit zu Lebzeiten.

Wirklich interessant an der Richard-Brooks-Retrospektive in San Sebastián sind aber Brooks' frühe Filme. Werke, zu denen er in seiner Anfangsphase manchmal auch nur das Drehbuch geschrieben hat. Denn bis er Mitte der 50er Jahre Teil des liberalen Mainstream wurde, war Brooks, Sohn jüdisch-russischer Einwanderer, 1912 geboren, ein Hollywood-Linker im Umfeld jener Leute, die unter McCarthy ins Gefängnis geworfen oder außer Landes gezwungen wurden. Brooks’ frühe Werke sind politisch und auch als Filme faszinierend: Etwa "Crisis" von 1950, ein großartiger Film nach einem Roman von George Tabori (!) über eine fiktive Latino-Diktatur, dessen Diktator in seinem sardonischen Charme ein bisschen an Peter Ustinovs Nero in "Quo Vadis" erinnert, ein wenig auch an Mussolini, und insofern unbedingt auch als Kommentar zum Faschismus zu verstehen ist. Dieser Diktator leidet an einem Hirntumor, ein Aufstand tobt im Land, und der Held des Films ist Cary Grant - als Hirnchirurg! Als solcher wird er gezwungen, den Diktator zu operieren und bewegt sich somit in allem sattsam bekannten komischen Cary-Grant-Ernst zwischen ärztlicher Pflicht und politischer Neigung auf Messers Schneide - sounds trashy, doesn't it? But beautiful!
In anderen frühen Brooks-Filmen (über die wir vielleicht ein andermal noch mehr schreiben) geht es zum Beispiel um Nazi-Kollaborateure im Nachkriegs-Paris, über Antisemitismus in Amerika, und über Pressefreiheit - mit Humphrey Bogart als Chefredakteur einer NY-Times-ähnlichen Tagezeitung...
Es geht in Brooks' Filmen immer (!!) auch um das, was aus der Faschismus-Erfahrung eines liberalen Juden in der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde, und was man aus ihr lernen könnte. Also auch um die Trauer, dass man zu wenig lernte, dass die alten Nazis oft an der Macht blieben, beziehungsweise es auch in den Demokratien faschistoide Gesinnungen, Sympathien, Verhaltensweisen gibt ...

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