Sonntag, 27. September 2009

"Bresson ist mir scheißegal! Ich bin Anti-Bressonianer"

Bruno Dumont und sein neuer Film "Hadewijch"; San Sebastián-Blog, 10. Folge

Von Rüdiger Suchsland

"Je suis un terroriste de cinema!" - für knackige Kommentare ist der Franzose Bruno Dumont jederzeit zu haben, und wer seine vielfach preisgekrönten, unverwechselbaren Filme - "La Vie de Jesus", "L'Humanité", "29 Palms" und "Flandres" - kennt, bei dem mischen sich Bewunderung für einen großartigen Filmemacher mit der vagen Befürchtung, es gäbe womöglich angenehmere Zeitgenossen um miteinander ein Bier zu trinken, als Dumont - selbst Kritikerkollegen, die seine Filme achten und sonst für alles aus Frankreich zu haben sind, nehmen hier schon mal das Wort vom "Menschenhasser" in den Mund.

Der Eindruck muss korrigiert werden: Wer Dumont jetzt in San Sebastián auf der Pressekonferenz erlebte, oder ihm später über den Weg lief, der begegnete einem freundlichen, offenen Mann mit einigem Humor. Dumont hat nur keine Lust, sich unter sein Niveau zu begeben, oder von Kritikern immer wieder mit den gleichen Etiketten bedacht zu werden: "Minimalist", "Bressonianer" oder eben: "Anti-Humanist".

In seinem neuen Film "Hadewijch", der in Toronto den Kritikerpreis der Fipresci bekam, und jetzt in San Sebastián seine offizielle Premiere erlebte, erzählt Dumont von Celine, einer jungen Frau, die zunächst in einem Kloster aufgenommen werden will. Als das scheitert, weil ihr die Nonnen ihre Abstinenz und andere Selbstkasteiungen als "Exzess" und Narzissmus vorwerfen, studiert sie in Paris Theologie. Zunehmend verfällt das Mädchen aus gutem Haus in einen religiösen Wahn. Sie begegnet einem radikalen Moslemprediger, und beteiligt sich als Christin an einem Terroranschlag. Der Regisseur bleibt bis zum Ende ganz bei seiner Hauptfigur, nimmt Glauben und Mystik ernst – eine faszinierende Innenansicht religiösen Fanatismus’ und das - auch wenn Dumont es nicht hören mag, s.u. - an Bressons "Mouchette" erinnernde Portrait einer Märtyrerin und Heiligen, möglicherweise.

In der Pressekonferenz beschreibt Dumont seine Arbeit dann als "ein Kino der Ambiguität". Eindeutigkeit interessiere ihn nicht. "Aber", an die Zuschauer gerichtet: "Es ist Ihre Ambiguität, nicht meine." Er betont auch: "Ich glaube nicht an Gott" und wenn man den Film gesehen hat, muss Dumont das schon dazu sagen. An Bresson glaubt er offenbar auch nicht. Bei der PK weißt er alle Bresson-Vergleiche, die gerade von französischen Kritikern reflexhaft angestellt werden, zurück: "'Pickpocket' habe ich nie gesehen, natürlich kenne ich ein paar Filme Bressons, aber sie interessieren mich nicht besonders." Später im persönlichen Gespräch, wird er noch deutlicher: "Bresson ist mir scheißegal! Ich bin Anti-Bressonianer. Schreib' das!" Und lacht dazu.

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