Sonntag, 17. Mai 2009

Lachs statt Kaviar

Cannes und die Krise: Heute Abend eröffnet das wichtigste Filmfestival der Welt

Von Rüdiger Suchsland

Kaum zu glauben: In Cannes sind noch Zimmer frei. Wenn heute Abend an der Croisette, der palmenumsäumten legendären Uferpromenade des südfranzösischen Nobelbadeortes mit dem Animations-3D-Spektakel "Up" die 62. Ausgabe des wichtigsten Filmfestivals der Welt eröffnet wird, dann gibt es zwar wie gewohnt teuer gekleidete Filmstars, die in geliehen Houte-Cuture Kleidern im Dutzend über den Roten Teppich schreiten, dicht hinter sich die Bodyguards der Juweliere, die nicht etwa den geschmeidigen Starbody, sondern das Collier von Bulgari oder Swarowski bewachen, dann gibt es auch Fotografenmeuten und Fernsehkamera-Wälder, deren Bilder in alle Welt übertragen werden, und auch sonst Glamour pur. Trotzdem mischt sich Skepsis in die erwartungsvolle Festivalvorfreude, und schon vor Beginn der diesjährigen Ausgabe ist klar: Auch an der Cote d'Azur muss man in diesem Jahr ökonomisch kleinere Brötchen backen. Insbesondere die Hotelbesitzer und Partyveranstalter klagen bereits jetzt über finanzielle Einbußen. Dies trifft dabei nicht so sehr den absoluten Luxusbereich - die Nobelsuite im ersten Haus am Platz, dem Hotel "Martinez", für die der Gast pro Nacht 36.000 Euro berappen muss, ist schon längst für die gesamte Festivalperiode ausgebucht. Und auch eine bekannte Berliner Medienkanzlei residiert - standesgemäß (?) - im Hotel Carlton. Diese Krise trifft in diesem Fall also keine ganz Armen, und auch wenn manche in diesem Jahr vielleicht auf Kaviar und Champagner verzichten - für Lachs und Prosecco dürfte es immer noch reichen. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Von der augenblicklichen Weltwirtschaftskrise getroffen werden vielmehr besonders jene, die von den ganz normalen professionellen Festivalbesuchern leben: Einkäufern, Rechtehändlern, Filmproduzenten und Medienvertretern. Immerhin rund 10.000 solcher Fachbesucher kamen im letzten Jahr zum Festival, 2009 sind es nur etwa 8.000, jene noch nicht mitgerechnet, die diesmal weniger lang bleiben - eine heftige Einbuße von über 20 Prozent, die auch im Unterkunftsmarkt die Preise purzeln lässt. Während hier in den Vorjahren Zimmer im Innenstadtbereich für die gesamten 12 Festival-Tage (für einzelne Tage wird hier gar nicht vermietet) im Durchschnitt nur für 2000 Euro und mehr plus Mehrwertsteuer zu haben waren, wird Vergleichbares diesmal für 1500 -1800 Euro angeboten.

Nicht weniger schwer wiegen die Veränderungen für jene Veranstalter, die mit dem zweiwöchigen Starrausch normalerweise den Umsatz des Jahres machen: Denn auch an den Partys wird gespart. So lädt "German Films", die Dachorganisation der deutschen Kinobranche zur Vermarktung des deutschen Films im Ausland, nicht wie in den letzten Jahren zu einer opulenten Garten-Party in eine Villa mit angeschlossenem Park in den Bergen der Umgebung, sondern "nur" zu einem Empfang im Marktpavillon am Strand - und bereits auf der Einladung wird darauf hingewiesen, dass es diesmal nichts zu essen gebe. Trotzdem kostet allein schon die Miete eines Messestandes auf dem bedeutenden "Film-Markt" selbst in der kleinsten Kategorie mehrere tausend Euro - Reise, Unterkunft, Marketingkosten und sonstige Ausgaben noch nicht mitgerechnet. Wer solche Summen bezahlt, verspricht sich auch etwas davon. In Cannes ist man nicht zum Vergnügen, sondern um Geld zu verdienen. Für das normale Publikum sind die Vorführungen in Cannes, anders als die der Konkurrenzfestivals von Berlin und Venedig tabu. Erst später wird ein Teil der Filme in den regulären Kinos zu sehen sein. Dafür wird hier auch der Löwenanteil des Jahresgeschäfts gemacht. Wie dies diesmal laufen wird, das hängt nun vor allem von der Qualität des Programms ab.

Künstlerisch lässt sich Cannes 2009 auf dem Papier dagegen überaus gut an: So erwartet man etwa Penelope Cruz, zuletzt fast schon Stammgast in Cannes, mit blonder Perücke im neuen Film des Spaniers Pedro Almodovar. Mit viel Vorschußlorbeer bedacht wird auch Quentin Tarantino. 1994 holte er hier mit "Pulp Fiction" die Goldene Palme, nun präsentiert er "Inglorious Basterds", einen Film, der in den letzten Tagen des Dritten Reichs spielt, und von Amerikanern handelt, die als Nazis verkleidet, versuchen Hitler zu töten. Weitere bekannte Namen: Michael Haneke mit seinem ersten Kostümfilm und Lars von Trier mit "Antichrist".

Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren läuft diesmal ein einziger deutscher Film in Cannes, auch nicht in den Nebenreihen - die neuen Filme von Fatih Akin, Andreas Dresen und Matthias Glasner wurden vom Festival abgelehnt. Für manche in der Branche ist das ein Indiz verfehlter Förderpolitik, die große internationale Produktionen großzügig mit Geld ausstattet, während für kleine Autorenfilme nicht übrig bleibt. Aber vielleicht konnte Cannes nur aus dem Vollen schöpfen: Auch Jim Jarmusch's neuer Film wurde von Cannes abgelehnt, und sogar Francis Ford Coppola musste mit seinem neuen Film in die - allerdings renommierte - Nebenreihe "Quinzaine" ausweichen. Dafür sind 2009 besonders viele Filme aus Asien an der Croisette vertreten - allen voran (Süd-)Korea mit sechs Filmen.

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