Donnerstag, 21. Mai 2009

Das alternative Kritikerblog

Wie bewerten eigentlich internationale Kritiker die Filme bei den Filmfestspielen von Cannes?

Von Rüdiger Suchsland

In "Inglorious Basterds", dem neuen Film von Quentin Tarantino, auf den wir später hier an dieser Stelle noch zu sprechen kommen, taucht an entscheidender Stelle ein Filmkritiker auf. Er ist, wie könnte es anders sein, ein professioneller Killer. Außerdem Antifaschist und Agent im Geheimdienst seiner Majestät von England. Er ist Experte fürs Ufa-Kino, zugleich ist er aber (?) auch dumm genug, sich durch seinen Akzent zu verraten - bei Kritikern, das will Tarantino uns offenkundig sagen, ist immer alles möglich. Und ganz genau weiß man bei ihnen nie, woran man ist.

Weil Kritiker auf Filmfestivals wie dem von Cannes ja nie genug zu tun haben, und sich nach Ansicht Außenstehender sowieso vor allem auf Strandpartys und mit Weltstars im Mittelmeer oder in luxuriösen Hotelsuiten vergnügen, spielen sie auch Spiele. Eines davon ist ein ziemlich schmutziges Spiel, so schmutzig, dass es auch gut in einen Film von Tarantino passen würde: Im privaten Kritikerblog des Argentiniers Diego Lerer von der Tageszeitung "Clarin" vergeben sie Punkte. Das passiert zwar sowieso auch in den sogenannten "Dailys", den täglichen Festivalausgaben der angelsächsischen Brancheblätter "Variety", "Hollywood Reporter" und "Screen".

Der entscheidende Unterschied von Lerers Blog liegt nun aber nicht nur darin, dass im Gegensatz zu den genannten Branchenblättern hier die Filme aller Sektionen bewertet werden, nicht nur der Wettbewerb um die Palmen. Die Teilnehmer sind auch allesamt eher mainstreamfern, Cinephile, die aus Cannes berichten und dort versuchen, gerade das Seltene und Besondere zu finden, Regisseure die etwas riskieren, und in deren Filmen es gewissermaßen immer ums Ganze geht, und so etwas von einer möglichen Zukunft des Kinos zu ertasten. Mit dabei sind aus den Niederlanden Dana Linssen, Redakteurin des Filmkrant, Violeta Kovacsics von der spanischen Lumiere, Pamela Pienzobras von Mabuse aus Chile, Markus Keuschnigg von "Die Presse" in Wien und Cristina Nord von der Berliner taz.
Und normalerweise hassen gerade diese Leute das Reduzieren von Filmen, die ja gerade dann gut sind, wenn sie etwas Schillerndes und Uneindeutiges haben, auf notgedrungen einseitige Punktetabellen. Was man daraus lernt: Manchmal ist eben das Gegenteil von dem richtig, was sonst immer richtig ist. Und auch Kritiker, die sich schätzen und nahe fühlen sind sich untereinander oft nicht einig. Vielleicht ist das ja auch gerade ihre Qualität.

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