Donnerstag, 20. Mai 2010

Grande eventi!

"Another shitty day for Silvio Berlusconi"
Italiener in Cannes - Cannes Blog, 6. Folge

Von Rüdiger Suchsland

"Es gibt Länder, die habe ich schon lange aufgegeben." sagt der Redakteur der überregionalen Berliner Zeitung nach Ansicht des Berlusconi-Dokumentarfilms, "dazu gehören Griechenland und Italien. Es ist einfach unfassbar." Ja, es ist einfach unfassbar, und wir hätten auf ihn hören sollen, auch im Hinblick aufs Kino. Stattdessen haben wir wieder einmal, entgegen häufiger Erfahrungen, einem italienischen Film eine Chance gegeben. Schließlich lief hier vor ein paar Jahren "Gomorrah". schließlich sind gleich zwei Italiener in der Jury diesmal, und man weiß ja, wie die ticken.

Aber damit hat "La nostra vita" von Daniele Luchetti absolut nichts zu tun. Schon das Presseheft mit seinen glatten kitschigen Bildern hätte uns warnen müssen, aber das haben wir erst später gesehen. Schon die allererste Szene, mit ihren laut und, man muss das so sagen, "typisch italienisch" übertrieben gestikulierenden Menschen, ihren "typisch italienisch" schreienden Bauarbeitern, der Pseudodramatik, dem Pseudo-Tempomachen war eigentlich so, dass wir wieder rausgehen wollten, aber das macht man ja nicht. Und später erzählt Violeta aus Barcelona, dass es ihr genauso ging. Schon die zweite Szene, der Bauarbeiter mit seiner schwangeren Frau auf dem Bett, ein, man muss auch das so sagen, "typisch italienischer" Ballaballa-Schlager trällert aus dem Off, und wir sehen Menschen, die arm, aber glücklich und vor allem Erfindungen des Drehbuchautors sind. Die Frau sieht aus wie 20, hat aber schon zwei Kinder. Man geht einkaufen, malt die Wohnung an, der Papa findet eine Leiche im Beton, und Mamma tröstet ihn… Ja, so ist das Leben, da fällt mal die Eiskugel herunter, und dann heben wir sie wieder auf.
Bei der Geburt stirbt die Mutter, aber das Leben geht weiter…

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"Another shitty day for Silvio Berlusconi" beginnt "Draquila - L'Italia che trema" von Sabina Guzzanti. viele Kollegen haben sich über dieses Filmpamphlet mokiert, aber es ist nur so wie sein Gegenstand, der grobe Keil eben auf den groben Klotz Berlusconi. Zuerst sieht man Berlusconi, "a jerk with a terrible sense of humor" am Telefon mit Obama beim G8-Gipfel, Merkel steht daneben, beim Handkuss für Ghaddafi, besoffen mit Bush… Man sieht Berlusconi-wählende Mammas, die auf die Frage nach seinen Affären mit Minderjährigen nur antworten: "Gott sei Dank ist er nicht schwul." Man begreift: Die Ohnmacht Italiens hat etwas mit diesem Land zu tun. Man kann Volk und Land in diesem Fall nicht einfach trennen.
Dann das Erdbeben in L'Aquila am 6.4.2009. Die Opfer werden in einem Lager gehalten wie Gefangene. Sicherheitswahn regiert, Angst vor Fremden. Aber auch "opressive paternalism": Im Lager sind Alkohol, Kaffee, Cola nicht erlaubt - um nicht aufzuregen. Demos und Meetings der Opfer simd auch verboten, ebenso Medien-Besuche.
Es geht um den Papst- und Berlusconifreund Guido Buertolaso, der einfach nur korrupt ist, und um Angelo Balducci, um Berlusconi selbst, die Mafia und um das böse Geschäft mit dem Erdbeben. Die Regisseurin kommt erst am Schluss auf die Toten, was eine gute Entscheidung ist. Italien sei "a shit dictatorship without torture". So ist es wohl.

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