Donnerstag, 10. September 2009

Grüne Tage, schwarze Nächte

Filmen gegen Ohnmacht und Wut: Hana Makhmalbafs Film über Wahlkampf und Juni-Unruhen im Iran. Venedig Blog, 9. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Es gibt Filme, bei denen überwältigt der Inhalt alles andere. Es gibt auch Filme, die sieht man im Kino und spürt, wie die eigenen Gefühle den Eindruck dominieren, wie man sich als Zuschauer den Emotionen derjenigen annähert, die die Filme gemacht haben. "Green Days" von der erst 21-jährigen Regisseurin Hana Makhmalbaf ist so ein Film.

Es beginnt mit einem fast völlig schwarzen Bild. Das Unsichtbare, das Nichts. Im Hintergrund der Ruf des Muezzins. Eine weibliche Stimme sagt auf Farsi: "The Sound of Allahu Akhbar is louder than ever. I am trembling. Is god trembling as well?"
Und wenn Gott tatsächlich zittern sollte, zittert er dann vor Angst oder vor Wut?

Makhmalbaf, das jüngste von drei Kindern des renommierten iranischen Regisseurs Mohsen Makhmalbaf, der seit Jahren im Pariser Exil lebt, hat ihren Film, ein Dokuessay, der Reportage mit Spielszenen mischt, kurz vor den iranischen Präsidentschaftswahlen begonnen. Sie konnte also nicht wissen, was passieren würde.

Gerade in dieser Ungewißheit, die in vielen Aufnahmen spürbar ist, kommt der Film aber zu sich selbst - und damit auch das Kino. "Green Days" ist somit ein gar nicht so häufiges Dokument für die vielleicht größte Qualität des Kinos: Sein Vermögen, zu zeigen, was ist. Der Film lebt von seiner Spontaneität, vom Zeigen des reinen Augenblicks, auch in seiner flirrenden Offenheit.

So sieht man hier eine Wahlkampfveranstaltung des späteren Wahlsiegers Mussawi, in der die vorrevolutionäre Stimmung schon spürbar ist. Alles in Grün. "Election Day will be our Day of Freedom." sagt Khatami. "To vote is our culture!" skandiert die Masse. So hört man Diskussionen von Anhängern beider Hauptkandidaten zu. Auch Ahmadinedschad-Anhänger kommen zu Wort. "People need a dictator" sagen sie. Die anderen: "Der verarscht die Analphabeten." "Wo sind die Lehrer, die er uns versprochen hat?" Die Lehrer fehlen auch bei uns.
Man sieht viel Begeisterung, schöne Frechheit: "Go to sleep nuclear dictator!" Und viel Frust und Indifferenz. Ein Soldat berichtet, wie ihr Kommandeur sie zwingt, für Ahmadinedschad zu stimmen.

Dann der Einbruch der Gewalt. Zehn Polizisten dreschen mit Knüppeln auf einen Mann ein. Blut, Schüsse, Neda. Schwer vorstellbare Zustände.
Ein wenig sieht man noch von der Manipulation und der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste. Makhmalbaf mischt eigene Bilder mit denen von zahllosen Handkameras. Aber "Green Days" ist mehr eine Zustandsbeschreibung. "It was not a political defeat. It was an emotional defeat!"
Der Film ist ein Zeugnis ohnmächtiger Wut, ist alles, was Kino auch sein kann, auch ist, auch sein muss. Somit das ganz großartige, ungemein spannende Dokument eines historischen Moments, aber auch der Wut und der Trauer der Iraner.

Zugleich überwiegt alles am Ende noch ein zweiter Eindruck: Wir wissen nichts vom Iran, wie es da wirklich zugeht, aussieht. Wir wissen nichts.

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